Projektreise nach Polen und Moldau, April 2022
Kielce, Lublin, Rîșcova – für eine SHL-Projektreise hatte unsere Gruppe im April ungewöhnliche Ziele. Grund dafür waren erste Besuche bei den Projekten, die wir durch unsere aktuelle Spendenkampagne unterstützen.
Direkt nach Kriegsbeginn in der Ukraine im Februar 2022 haben wir begonnen, Spenden zur Unterstützung Geflüchteter zu sammeln, anfangs vor allem von Einzelpersonen, schnell aber auch durch Aktionen an Schulen und in Vereinen: Es werden Spendenläufe organisiert, Kuchen verkauft und Solidaritätsaktionen geplant, was das Zeug hält. Dank dieses großen Engagements konnten wir lokalen Organisationen in der Ukraine und benachbarten Ländern sehr schnell finanzielle Unterstützung zusichern. Um uns auch selbst ein Bild von der Lage vor Ort und der Arbeit unserer Partner zu machen, reisten wir Ende April nach Polen und in die Republik Moldau. Wir, das waren Johanna (Freiwillige in Neumünster), Patrick (Geschäftsführung), Pauline und Rebecca (beide Rat). Nach einer langen Anreise nach Polen war unsere erste Station Lublin in Ostpolen. Die Bevölkerung in Lublin ist durch die hohe Zahl Flüchtender aus der Ukraine bis April bereits um ca. 10% gewachsen, der Bedarf an Unterkünften, Verpflegung, Kleidung, Medizin und anderen Gütern ist enorm. Unsere Partnerorganisation Homo Faber hat sofort nach Kriegsausbruch begonnen, Unterkünfte, Betreuung für Kinder, psychologische Unterstützung, Rechts- und andere Beratung sowie allgemeine Unterstützung für Menschen auf der Flucht bereitzustellen. Die Freiwilligen vor Ort unterstützen auch die Sammlung und den Transport von Hilfsgütern, die an die Grenzübergänge zur Ukraine gebracht werden. Außerdem ist ein Gemeindezentrum geplant, das allen Geflüchteten in Lublin Unterstützung bietet und Verbindung zur Bevölkerung vor Ort stärkt.
Von Lublin ging für uns die Reise weiter nach Kielce. Auf dem Weg dorthin wurde uns einmal mehr bewusst, wie nah wir dem Krieg räumlich gekommen sind: Auf Raststätten waren Zelte aufgebaut, es wurde Essen und Kleidung an Menschen auf der Flucht verteilt. Allgemein war in allen Orten der Krieg sehr präsent. Überall sahen wir ukrainische Flaggen als Zeichen der Solidarität; Hilfsangebote und Hinweisschilder auf Ukrainisch und Schlangen vor Verteilstationen begegneten uns immer wieder.
So auch in Kielce, wo wir uns mit unserem neu gewonnen Partner SIEW trafen. Die Organisation ist seit Jahren in der Beratung ausländischer Menschen in der Region aktiv und pflegt darüber hinaus engen Austausch mit ukrainischen Partnerstädten und -organisationen. Deshalb war sie nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine sofort Ansprechpartner für flüchtende Menschen in Kielce. Seitdem koordiniert SIEW die Arbeit von Freiwilligen und staatlicher Unterstützung sowie die akute Nothilfe in der Stadt. Die vielen ehrenamtlichen Helfer*innen von SIEW organisieren aktuell unter anderem die Annahme und Verteilung von Lebensmitteln, Hygieneprodukten und Kleidung. In der Innenstadt von Kielce wurde dafür eine supermarktähnliche Verteilerstation eingerichtet. Darüber hinaus werden Unterkünfte, Sprachkurse, kulturelle Angebote und langfristig sogar Arbeitsplätze koordiniert.
Von Kielce aus machten wir uns auf den Weg nach Warschau, nutzten den Abend dazu, unsere Eindrücke zu verarbeiten, uns über mögliche weitere Unterstützung für die Projekte auszutauschen und, wichtig, Videos zu schneiden! Denn kurz vor der Reise hatte uns der NDR gebeten, Material für einen Fernsehbeitrag zu senden. Natürlich ist uns wichtig, dass in Deutschland möglichst viele Menschen Eindrücke von der Situation und der engagierten Arbeit unserer Partner vor Ort mitbekommen, weshalb wir uns gerne als höchst professionelles Medienteam betätigten, nicht ohne tatkräftige Unterstützung durch Asena im „back office“!
Mit etwas Turbulenzen auf der Reise und um einiges später als geplant kamen wir am nächsten Tag in Chișinău, der Hauptstadt der Republik Moldau an. Es war für uns alle die erste Reise in das Land, weshalb wir uns kurzzeitig ganz touristisch im am wenigsten besuchten Land Europas verloren. Aber natürlich besannen wir uns rasch wieder auf den Grund unserer Reise und freuten uns auf das nächste Treffen, dieses Mal mit Julian, dem Leiter von Ecovisio: Die Organisation bietet im moldauischen Rîșcova jungen Geflüchteten und deren Familien Unterkünfte und eine erste Grundversorgung in ihrem Bildungszentrum und der Dorfgemeinschaft an. Außerdem werden in weiteren Dörfer Moldaus leerstehende Häuser nachhaltig renoviert, um so menschenwürdigen Wohnraum für die Geflüchteten zu schaffen: Insbesondere Kinder und Jugendlichen brauchen ein Zuhause und sollen möglichst kurz in großen Sammelunterkünften untergebracht sein.
Nach einem Tag in moldauischen Dörfern trafen wir uns in der Hauptstadt noch mit einer Aktivistin von „Moldova for Peace“, die uns vor allem viel über die allgemeine humanitäre Lage und die Bedarfe der Hilfsorganisationen in Moldau berichtete.
Und schon auf dem Rückweg nach Polen stand dann noch eine unerwartete Wendung an: Neben den gesendeten Videomaterialien äußerte der NDR nun auch noch ein den Wunsch Interview mit uns zu führen! Natürlich wollten wir die Möglichkeit wahrnehmen, über die Lage vor Ort zu berichten und die Relevanz der Spendengelder zu verdeutlichen. Deshalb video-telefonierte Rebecca vom Flughafen aus mit der Moderatorin Eva Diederich, die unsere Arbeit sehr wertschätzend in ihrer Sendung vorstellte. Auf ein erfolgreiches Fernsehinterview und zwei großartige Beiträge über SHL wurde sogar noch kurz am Flughafen angestoßen! Und unserer Reisegruppe blieb es nur noch, brav Belege zu sortieren, einmal durch Warschau zu schlendern und am nächsten Morgen in den Zug zurück nach Deutschland zu steigen.
Dieser Bericht schreibt und liest sich wesentlich lockerer, als die allgemeine Lage des Krieges und die Situation vieler Menschen auf der Flucht es eigentlich zulassen. Wir haben auf der Reise die Auswirkungen des Krieges noch deutlicher als zuvor in Deutschland wahrgenommen. Die Situation in der Ukraine und den Nachbarländern wird sich in absehbarer Zeit nicht entspannen. Dennoch verließen wir alle Projekte nicht ausschließlich niedergeschlagen, sondern auch beeindruckt von dem unfassbaren Einsatz der Engagierten vor Ort – sowohl in den Projekten als auch in der Zivilgesellschaft allgemein. Darüber hinaus fühlen wir uns sehr in unserer Arbeit bestärkt: Die schnell gestartete Spendenkampagne macht vor Ort einen Unterschied, unsere Partner helfen vielen Menschen auf der Flucht mit allem Notwendigen und wir wollen das so gut wie möglich weiter unterstützen!